Deutsche Schostakowitsch Gesellschaft e.V.

Dmitri Schostakowitsch, 25. September 1906  ─  9. August 1975

Rezensionen

Frank Strobel stellt in Berlin seine Schostakowitsch-Fassung für den Stummfilmklassiker „Panzerkreuzer Potemkin“ vor

Tobende Gewalt und brütende Ruhe

Von Bernd Feuchtner

Da Dimitri Schostakowitsch ein versierter sowjetischer Filmkomponist war, liegt die Verbindung zwischen Sergej Eisenstein und ihm nahe. Es hat auch in Russland schon einen Versuch gegeben, dem Stummfilm „Panzerkreuzer Potemkin“ Musik von Schostakowitsch zu unterlegen – mit mäßigem Erfolg. Im Gegensatz zu „Alexander Newski“ und „Iwan der Schreckliche“, wo der Regisseur die Filmmusik mit Sergej Prokofjew gemeinsam entwickelte, wollte Eisenstein die musikalische Untermalung dieses Films über den Matrosenaufstand von 1905 vor Odessa dem jeweiligen Aufführungsort überlassen. In Moskau war das 1925 Musik von Tschaikowsky, Beethoven usw. Für die Berliner Erstaufführung 1926 schrieb Edmund Meisel eine Partitur, die vor einiger Zeit rekonstruiert und in Livekonzerten wieder aufgeführt wurde. Der renommierte und erfahrene Filmmusik-Dirigent Frank Strobel hatte eine eigene Idee: Er setzte eine neue Partitur zusammen, indem er dem Film über 100 Schnipsel aus den Schostakowitsch-Sinfonien Nr. 4, 5, 8, und 11 unterlegte. Die Elfte trägt die Revolution von 1905 ja schon im Titel und ist so illustrativ, dass sie sich von selbst anbietet. Für den Beginn wählte Strobel allerdings den Anfang der Vierten mit seinen drei gellenden Signalen und dem unbarmherzig stampfenden Tritt der Zeit – alarmierender hätte der Film nicht beginnen können. Mehr


Petrenko dirigiert Schostakowitschs Achte

„Wir wissen, dass Schostakowitsch in dieser „Kriegssinfonie“ nicht nur die Opfer des Nazi-Überfalls beklagt hat, sondern genauso die des Stalinterrors. Er hat über und für seine Mitmenschen ein tragisches Epos geschrieben – etwas anderes wäre in jener Horrorzeit auch gar nicht möglich gewesen. Kirill Petrenko und die Philharmoniker versuchen gar nicht erst, mit dem erhobenen Zeigefinger irgendwelche Wahrheiten zu deuten. Sie bieten lediglich all ihre Spielkultur, ihre Virtuosität und ihre Klangfülle auf, um zu zeigen, wie gut gemacht und wie schön diese Musik ist.“ Bernd Feuchtner, Präsident der Deutschen Schostakowitsch Gesellschaft, rezensiert auf KlassikInfo.de ein Konzert der Berliner Philharmoniker unter Kirill Petrenko, das wegen des neuerlichen Corona-Lockdowns leider nur im Livestream zu erleben war.


Spielerische Daseinsbewältigung

Das Bild spricht Bände. Es zeigt den berühmten Komponisten Dmitri Schostakowitsch bei einem Fußballspiel seiner Lieblingsmannschaft Zenit Leningrad. Gelöste Gesichtszüge, Schildmütze auf dem Kopf, fröhliche Fußballfans um ihn herum. Eine Momentaufnahme gewiss. Eine Momentaufnahme zumal, die so gar nicht ins Bild passen will, das sich Musikfreunde in aller Welt gemeinhin von dem russischen Jahrhundertkomponisten machen. Gleichwohl ist seine Fußballbegeisterung mehr als eine „biografische Randerscheinung“. Sie findet nicht nur künstlerischen Niederschlag in einigen seiner Werke, sondern half ihn auch bei der Daseinsbewältigung: „Ohne Fußball hätte er sein Leben zwischen intellektueller Überlastung und den ständigen politischen Zwängen nicht ausgehalten“, schrieb seine Biografin Sofia Chentowa. Robert Goepel, Psychotherapeut, Objektkünstler und selbst begeisterter Fußballspieler, hat sich mit Schostakowitschs Fußballleidenschaft künstlerisch auseinandergesetzt. Eine Ausstellung seiner Werke stieß im Rahmen des XVII. Musikwissenschaftlichen Symposiums der Deutschen Schostakowitsch Gesellschaft am 25. und 26. September 2015 in Berlin auf großes Interesse. Mehr 

Der Bonner Künstler Robert Goepel mit einigen seiner Werke. Foto: Karlheinz Schiedel


Orango

Die Ersteinspielung des 2004 wiederentdeckten Opernfragmentes „Orango“ von Dmitri Schostakowitsch durch die Los Angeles Philharmonic unter Esa-Pekka Salonen kann ohne Übertreibung als Sensation bezeichnet werden. Zusammen mit einer mustergültigen Interpretation der schicksalschweren 4. Sinfonie führt die Aufnahme in die erste Hälfte der 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts zurück. In eine Zeit, deren zivilisatorischen Brüche und aufziehenden humanitären Katastrophen ihren existenziellen Widerhall in den Werken des großen russischen Komponisten finden. Der Freiburger Journalist Karlheinz Schiedel versucht eine kulturhistorische Einordnung. 

 

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